Gebietseigenes Saatgut meint Saatgut wildlebender, einheimischer Pflanzenarten (s. Bundesnaturschutzgesetz §7 (2) Nr. 2, 3) bestimmter regionaler Herkunft mit Bezug zum Ausbringungsstandort. Die regionale Herkunft definiert sich über das Ursprungsgebiet (bei Regiosaatgut) oder den Naturraum (bei Naturraum-Saatgut), in dem der Ausbringungsort liegt (s. FLL -Regelwerk „Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut“ 2014). Im Sinne des Fachmodul Gebietseigene Gehölze (BMU 2019, S. 4): „Als gebietseigen werden Pflanzen beziehungsweise Sippen bezeichnet, die aus Populationen einheimischer Sippen stammen, welche sich in einem bestimmten Naturraum über einen langen Zeitraum in vielen Generationsfolgen vermehrt haben und bei denen eine genetische Differenzierung gegenüber Populationen der gleichen Art in anderen Naturräumen anzunehmen ist. Arten, die nicht gebietseigen sind, können auch als „gebietsfremd“ bezeichnet werden“. „Einheimisch“ sind alle Wildpflanzenarten, die vor der Entdeckung Amerikas (1492) in Deutschland vorkamen (Buttler et al. 2018).
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Gebietseigenes Saatgut
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Regiosaatgut
Regiosaatgut ist Saatgut von Biotypen, das innerhalb der Grenzen eines festgelegten Ursprungsgebietes gewonnen, vermehrt und ausgebracht wird, ohne dass es dabei züchterisch verändert wurde (Hiller & Hacker 2001). Die Grundlagen für eine bundeseinheitliche Regionalisierung der Wildpflanzenproduktion wurde im Forschungsprojekt „Entwicklung und praktische Umsetzung naturschutzfachlicher Mindestanforderungen an einen Herkunftsnachweis für gebietseigenes Wildpflanzensaatgut krautiger Pflanzen“ (Prasse et al. 2010, 2011) erarbeitet.
Regiosaatgut- und Regiopflanzgut-Konzept
Die Wortbildung „Regiosaatgut- und Regiopflanzgut-Konzept“ entstammt dem FLL-Regelwerk „Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut“ (2014). Gemeint ist das aus einem Forschungsprojekt entwickelte Konzept, welches naturschutzfachlich begründete Anforderungskriterien an einen Herkunftsnachweis, den Handel mit und das Ausbringen von Regiosaatgut zusammenfasst (Prasse et al. 2010, 2011). Die wichtigsten Ergebnisse des Konzepts sind die nach naturschutzfachlichen Kriterien abgeleiteten 22 Herkunftsregionen (= Ursprungsgebiete) für regionales Wildpflanzensaatgut in Deutschland und die regionsspezifisch ermittelten Auswahllisten (Positivlisten) potentiell verwendbarer Arten, welche mit den Fachbehörden der 16 Bundesländer abgestimmt worden waren. Weitere Säulen des Konzepts stellen Sammel-, Vermehrungs- und Zertifizierungsstrategien als fundierte Grundlage für die Erstellung von Regiosaatgut-Mischungen dar.
Ursprungsgebiete und Vorkommensgebiete
„Ursprungsgebiet“ ist die räumliche Einheit für Regiosaatgut. Die 22 Ursprungsgebiete der Erhaltungsmischungsverordnung (ErMiV 2011, 2020) entsprechen den 22 Herkunftsregionen aus dem Regiosaatgut- und Regiopflanzgut-Konzept (Prasse et al. 2010). Innerhalb eines bestimmten Ursprungsgebietes gewonnenes Saatgut darf auch nur innerhalb dieses Ursprungsgebietes ausgebracht werden (Quelle: FLL -Regelwerk „Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut“ 2014). „Vorkommensgebiet“ bezeichnet lt. §40 (4) des Bundesnaturschutzgesetz die jeweilige Region, innerhalb derer das Ausbringen von gebietseigenem Saatgut und von Gehölzen (s.a. §54 BNatschG) genehmigungsfrei bleibt. Das Bundesumweltministerium (BMU) hat den Ländern empfohlen, die o.g. Gebietseinteilung von 22 Ursprungsgebieten für gebietseigenes Saatgut krautiger Arten entsprechend der Erhaltungsmischung zu übernehmen (https://www.bmu.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/artenschutz/nationaler-artenschutz/regionale-gehoelze/, Stand: April 2020). Bezogen auf Regiosaatgut können die Vorkommensgebiete lt. §40 BNatschG den 22 Ursprungsgebieten aus der ErMiV gleichgesetzt werden.
Artenfilter
Beim „Artenfilter“ handelt es sich um ein Datenbank-basiertes Fachinformationssystem, welches im Rahmen eines Forschungsprojekt der Universität Hannover (Aktenzeichen der DBU: 23931, Projektleiter: Prof. Dr. Rüdiger Prasse, Laufzeit 2008-10) entwickelt wurde, um nach naturschutzfachlichen Kriterien Auswahllisten regionsspezifisch geeigneter Regiosaatgut-Arten zu erzeugen (s. https://regionalisierte-pflanzenproduktion.de/artenfilter/) . An der Überprüfung der regionalen Artenlisten wurden alle zuständigen Landesfachbehörden beteiligt. Insgesamt sind mehrere Hunderttausend Datensätze u.a. aus der floristischen Kartierung Deutschlands, den Floren- und Roten Listen der Länder verarbeitet worden. Folgende mit den Naturfachbehörden abgestimmte Kriterien zum Ausschluss von seltenen, gering verbreiteten oder problematischen Arten wurden dabei verwendet (s. a. Prasse et al. 2011):
- Neophyten(*) (nach 1492 bzw. 1500 neu in Mitteleuropa bzw. Deutschland eingewanderte oder eingeschleppte Pflanzenarten)
- Sorten bzw. Zuchtformern einheimischer Arten und Kulturarten/-formen ohne bekannte indigene Vorkommen (z.B. ein Teil der Ernährungs- und Zierpflanzen)
- Hybriden und Neoendemiten
- Taxonomisch „problematische“ Arten und Arten, deren Verbreitung unzureichend bekannt ist (oft RL-Status „D“ = Daten mangelhaft)
- Seltene und/oder gefährdete Arten (bei Bedarf können diese herkunftsspezifisch aufgenommen werden)
- Arten mit Arealgrenzen bzw. erheblichen Verbreitungslücken in einer Region [Hilfskriterium für die Vorauswahl: Rasterfrequenz (Quadranten) von ≤ 60% innerhalb der Herkunftsregion]
- Arten die sich in Mitteleuropa nicht generativ vermehren
(*) Der Ausschluss von Neophyten aus dem Regiosaatgut erklärt sich u.a. aus der besonderen Verpflichtung zur Erhaltung und Förderung der traditionell bei uns bis etwa zum Ende des Mittelalters (1500) etablierten Flora. Die gezielte Aussaat von Neophyten birgt das Risiko, dass einige dieser Arten sich sprunghaft vermehren und in unseren Ökosystemen einheimische Arten verdrängen, sich eventuell invasiv verhalten und naturschutzfachlich problematisch werden.
In den regionsspezifischen Positivlisten der 22 Herkunftsregionen (Stand: April 2010) sind nach Prasse et al. (2010) jeweils zwischen etwa 150 und knapp 400 Arten enthalten. Die online-verfügbare Datenbank (s.o.) erzeugt sowohl Positiv- als auch Negativlisten. Bei der Auswahl eines Datensatzes mit Sternchen (*) können zusätzlich Kommentare zu einzelnen Arten abgerufen werden. Die Ergebnislisten geben keine Empfehlungen für bestimmte Regiosaatgut-Mischungen, z.B. für den standortgerechten Einsatz im Landschaftsbau ab. Das FLL-Regelwerk „Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut“ (2014) hat erstmalig, basierend auf den „Artenfilter“ Regiosaatgut-Mischungen für alle 22 Ursprungsgebiete erarbeitet, die im Landschaftsbau genutzt werden können und als RSM Regio in der e.g. Publikation gelistet.
Freie Natur
„Freie Natur“ ist ein im Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) regelmäßig sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff, d.h. dieser wird im §7 Begriffsbestimmungen des BNatschG nicht näher definiert. „Freie Natur“ ist der gesamte Außenbereich außerhalb von Siedlungsgebieten und einzelnen Siedlungsanlagen (Quellen: Schumacher & Werk 2010, FLL-Regelwerk „Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut“ 2014). Der Begriff „freie Natur“ wird u.a. im Zusammenhang mit dem Genehmigungsvorbehalt vom Ausbringen von Pflanzen und Tieren gebietsfremder Arten verwendet (§40 BNatschG) verwendet. Besonders detailliert wird „freie Natur“ im Fachmodul Gebietseigene Gehölze (BMU 2019, S. 4) definiert: „Der Genehmigungsvorbehalt des BNatSchG gilt nur für das Ausbringen in der freien Natur. Das Ausbringen von Gehölzen gebietsfremder Arten im innerstädtischen und innerörtlichen Bereich sowie in Splittersiedlungen, Gebäuden zugeordneten Gärten und Wochenendhausgebieten im Außenbereich (sogenannter besiedelter Bereich) sowie Sportanlagen unterliegt nicht der Genehmigungspflicht. Generell von der Genehmigungspflicht befreit ist der Anbau in der Land- und Forstwirtschaft (§ 40 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 BNatSchG).
Verkehrswege außerhalb innerörtlicher Bereiche sind der freien Natur zuzurechnen. Bei Begrünungs- und Bepflanzungsmaßnahmen an Verkehrswegen (Straßenbegleitgrün, Kompensationsmaßnahmen) ist grundsätzlich gebietseigenes Pflanzgut aus dem betreffenden Vorkommens- beziehungsweise Herkunftsgebiet zu verwenden. Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen sowie Sonderstandorte (unmittelbarer Straßenseitenraum, Mittel- und Trennstreifen, Lärmschutzwände, Steilwälle, Stützbauwerke, Intensivbereiche von Parkplätzen und Tank- und Rastanlagen, o.ä.) an klassifizierten Straßen und Gemeindestraßen, bei denen die Aspekte Lichtraumprofil, Gewährleistung der Verkehrssicherheit, Verträglichkeit gegenüber vorhandenen Emissionen und Salzfrachten vorrangig zu beachten sind und sofern den Erfordernissen der Funktionssicherung nach § 4 Nummer 3 BNatSchG durch die Verwendung gebietseigener Gehölze nicht genügt werden kann, zählen nicht zur freien Natur. Die Verwendung gebietsfremder Herkünfte ist in diesen besonderen Fällen zulässig.“
Mähgut (Heumulch)
Mähgut bzw. Heumulch ist ein samen- bzw. diasporenhaltiger Aufwuchs, der durch Mahd von ausgewählten Spenderflächen (i.d.R. durch Biologen) gewonnen (meistens frisch, auch angetrocknet oder als Heu) und auf eine nahe gelegene Zielfläche zur Begrünung, z.B. zur Entwicklung von artenreichem Grünland, ausgebracht wird. Das Heumulch wird i.d.R. nur wenige Kilometer innerhalb derselben Naturräumlichen Einheit von der Spenderfläche zur Zielfläche transportiert.